Marienstein bei Bad Kreuzen / Mühlviertel
Einsam liegt der mit dichtem Moos bewachsene Marienstein im Wald bei Bad Kreuzen im Mühlviertel. Eine auf dem Stein befestigte, mit Plastikblumen geschmückte Marienfigur bestätigt seinen christlichen Namen. Nach einer Beschreibung von Ernst Fietz, soll dies ein Wackelstein gewesen sein. Der hilfsbereite Bauer der uns zum Stein führt, kann leider nicht mehr viel über seine ursprüngliche Bedeutung erzählen und wie schon so oft, muss ich mich selbst auf die Suche machen, um das Geheimnis dieser Stein Riesin zu erkunden.
Eiförmige Wackelsteine
Eiförmige Wackelsteine gibt es nicht nur in Österreich, in ganz Europa entdecken wir sie an Grenzorten im Gebirge, in abgelegenen Wäldern oder am Rande von Dörfern und Siedlungen. Viele dieser Steine sind auffällige Findlinge, die von Natur aus so geformt sind, andere erfuhren eine sorgfältige Bearbeitung von Menschenhand, um sie für kultische Zwecke zu nützen.
In St. Agatha, Gemeinde Natternbach in Oberösterreich, erkundigte ich mich im Kaffeehaus des Ortes nach dem Jungfrauenstein, der vielen Dorfbewohnern zu meiner freudigen Überraschung durchaus bekannt war. Eine gute Weg Beschreibung des Mesners der Kirche half uns, den Stein im Wald außerhalb des Ortes zu finden. Er bestätigte auch die Sage, nach der drei Jungfrauen den Stein in ihrer Schürze herbei trugen:
Unter dem Volk hat sich die Sage erhalten, die Sage von die beiden Steine, von denen der obere beweglich ist, seien von (drei) Jungfrauen in ihren Fürtüchern oder Schürzen zusammen getragen worden. [
Merkwürdig kann seyn der sogenannte Jungfernstein an der Pfarrgränze gegen Kopfing hin, wo ein sehr großer beweglicher Stein auf einem andern liegt. Den obenher liegenden und mit Untersetzung der Schultern beweglichen soll, der Sage nach, eine damalige Jungfrau in ihrem Fürtuch dahin getragen haben.
Dr. J. Obernhumer, Natternbach, Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1947, S 10
Dieser grau grüne Wackelstein liegt auf einer kleinen Waldlichtung und sieht aus wie eine ruhende Drachenfrau, deren Kopf zum Wackeln gebracht werden konnte. Ob sich die Frauen früher auf ihren Steinrücken setzten, um hier ein Kind zu empfangen?
Die Christianisierung begegnete dem Steinkult der Frauen in Natternbach auf ihre eigene Weise. In der Pfarrkirche des Ortes bannt die Heilige Margarethe mit dem Stab des Kreuzes den zähnefletschenden Drachen, den sie an eine schwere Eisenkette gebunden hat.
Einen sehr beeindruckenden Wackelstein fand ich in Rechberg, Gemeinde Perg im Mühlviertel. Der von den Einheimischen als Schwammerlstein bezeichnete Felsen liegt oberhalb des Biobauernhofes Grossdöllnerhof. Wir kauften dort frisches Gemüse und der Bauer erzählte uns, dass französische Soldaten den Stein umstürzen wollten. Das ist ihnen aber nicht gelungen, doch seitdem sei er leider nicht mehr beweglich.
Wackelstein Rechberg
Wackelsteine werden auch Wiegensteine genannt. In einer Wiege liegt ein Neugeborenes und so hieß es in Tirol vom wiegeten Stoan, in seiner Nähe wäre Kindergeschrei zu vernehmen: Eisacktal / Spinges - Auf dem Spingeser Berg liegt zwischen dem Ober- und Unterrohrweg ein eigenartiger Granitfindling, der die Form einer Wiege hat. Dieser „wiegete Stoan“ hat die ungefähren Ausmaße von 3 Meter Länge, 1,50 Meter Breite und 1, 20 Meter Höhe. Man behauptet in Spinges, dieser Koloß begänne nachts von alleine zu wiegen und wäre in seiner Nähe immer Kleinkindergeschrei zu vernehmen. Fink Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke, Schlern Schriften, Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1957, S 115/116
Das erklärt eine der Bedeutungen der eiförmigen Wackelsteine, von denen sich unsere Ahninnen erzählten, dass das riesige Ei aus Stein, von einer mythischen Vogelmutter gelegt wurde. Es birgt in seinem Inneren noch ungeborenes Leben, deshalb konnten gebärfähige Frauen dort ein Kind abholen. Wichtig war das Ritual des Wackelns, denn wenn sich der Stein bewegte, dann rührte sich in seinem Inneren etwas.
Jacques Gelis berichtet von Kinder- und Gebärmuttersteinen in Frankreich: Die Verehrung, die die Dorfbewohner dem „Kinderstein“ entgegenbrachten, war zweifellos eine Folge der Überzeugung, daß sie alle aus ihm hervorgegangen waren. Man behauptete, daß der trächtige Stein für die Kinder sorgte, die er in seinem Bauch trug, und daß er sie jeden Tag zum Bach brachte, um sie trinken zu lassen. Wenn eines von ihnen „gar“ war, kam eine Frau (die Hebamme) und holte es gegen entsprechenden Lohn für die Familie ab, bei der es erwartet wurde.
Die Steine, die man auch aufsuchte, um eine gute Fruchtbildung bei den Gewächsen und Vermehrung des Viehbestandes zu sichern, sorgten dafür, daß der Kreislauf nicht unterbrochen wurde und die Arten erhalten blieben. Alle Gebräuche konzentrierten sich um diesen magischen Stein als einem Bündel von Lebenskraft. Gelis Jacques, Das Geheimnis der Geburt, Herder Verlag, Breisgau 1992, S 66
Steinkultort Sant Feliu de Guixols
Ein Steinkultort den wir ohne die Hilfe der Einheimischen nie gefunden hätten, befindet sich in Katalonien, in Sant Feliu de Guixols. Der eindrucksvolle Wackelstein wird dort Pedralta genannt, - alta bedeutet hoch und ped ist der Fels, der Stein. Die kleine Kapelle neben dem Stein und das auffällige Kreuz auf dem Stein zeigen, wie wichtig es der Kirche auch in Spanien war, den Steinkult vorchristlicher Kulturen zu unterdrücken. In den Legenden und Sagen von Spanien galten Wackelsteine als Spielzeug von Riesen. Damit sind wohl die Menschen der Jungsteinzeit gemeint, die eiförmige Wackelsteinen immer wieder aufsuchten und kultisch verehrten.
Wackelstein in Katalonien, Sant Feliu de Guixols
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